Meine Geschichte
Es ist für mich ein Herzenswunsch, dass „wir“ aufhören vor lauter Scham zu schweigen. Ich möchte dieses Tabuthema von Gewalt und Missbrauch in jeglicher Form präsenter machen! Deshalb schreibe ich hier ein Stück von meiner Geschichte. Ich möchte anderen Mut machen, das erdrückende Schweigen zu beenden. Ein Therapeut und ehemaliger Dozent von mir, sagte immer: „reden heilt“. Früher war ich mir nicht ganz so sicher. Aber es stimmt tatsächlich, je öfter ich mich traute, von meiner Vergangenheit zu sprechen, umso weniger Macht gab ich ihr.
Ich habe 11 Jahre meiner Kindheit Gewalt, sowie schweren sexuellen und emotionalen Missbrauch erlebt. Nachdem ich meine Geschichte 10 Jahre völlig abspalten musste, um sie emotional überleben zu können, habe ich 8 Jahre meines Lebens gebraucht, um diese widerum aufzuarbeiten und Frieden in mir zu finden.
Heute bin ich glücklich verheiratet, bin Mutter eines Sohnes und einer Tochter und kraftvoller denn je. Der Weg bis hierhin war hart, gefühlt unendlich, aber es hat sich mehr als gelohnt! Wenn ich heute die Wahl hätte, die Aufarbeitung nochmal machen zu müssen oder für immer wie von Zauberhand alles in meiner Erinnerung löschen zu können, ich würde ersteres wählen! Denn das hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Und die möchte ich nicht mehr missen!
Die menschliche Psyche ist auch in ihrer Not genial. Um all das, was mir widerfahren war, überleben zu können, musste ich erstmal alles abspalten. Es gab schlichtweg keinerlei Erinnerungen mehr, an das Erlebte. Umso erschreckender, als mir 2010 bei einer beruflichen Weiterbildung meine Vergangenheit „um die Ohren flog“.
Es kamen Erinnerungen hoch, Bilder und körperliche Schmerzen, die ich nicht zuordnen konnte. Tagelang konnte ich kaum schlafen, vor lauter Angst, meine Augen zu schließen. Ich fühlte mich in einem Albtraum gefangen, aus dem ich nicht erwachen konnte. Umso schlimmer traf mich die Erkenntnis: das ist kein Traum, das ist mein Leben!
Zuerst versuchte ich, die Bilder rational weg zu erklären. Aber die immer größer werdende Panik, die in mir aufstieg, je verzweifelter ich sie loswerden wollte, ließ sich nicht mehr abschütteln.
Ich fühlte mich gehetzt, ohnmächtig , verletzt, hilflos, furchtbar einsam und zweifelte an mir selbst. Gleichzeitig schämte ich mich so sehr, für die Bilder in meinem Kopf und war voller Schuldgefühle.
„Dir wird niemand glauben!“ Ich habe Jahre gebraucht, um diesen Satz aus meinen Zellen zu löschen. Gott sei Dank gab es immer wieder Menschen, die mir geglaubt haben! Es ist eigentlich ein Wunder, dass ich trotz allem, anderen mein Vertrauen geschenkt und mich ihnen anvertraut habe. Auch das hat sich gelohnt. Egal wie viel schief gelaufen war, ich konnte so viel Wundervolles und Positives lernen und erfahren. Es war eine große Herausforderung, aber auch meine größte Chance, auf Heilung.
Es folgten harte Jahre der Aufarbeitung. Oft habe ich gedacht, es kann nicht mehr schlimmer werden…und es kam schlimmer. Stück für Stück kamen Bilder und Erinnerungen in mein Bewusstsein, so dass ich sie portionsweise aufarbeiten konnte/musste . Eine der größten Herausforderungen war es, meine zersplitterten Persönlichkeitsanteile zusammen zu flicken.
Wer war ich? Nur ich? Bzw. welches „ich“ von all den Anteilen in mir, die noch nicht integriert waren. Ich war lange Zeit so wütend, weil mir mein ICH „geraubt“ worden war. Wer wäre ich geworden, wenn alles „gut“ gewesen wäre? Heute spielt es keine Rolle mehr. Die Summe all meiner Erfahrungen, egal wie furchtbar oder schön sie gewesen sind, haben mein ICH entstehen lassen.
Ohne Unterstützung hätte ich das nicht geschafft! Auf meinem Lebensweg sind zur richtigen Zeit wundervolle Menschen in mein Leben getreten, die an mich geglaubt haben. Die MIR geglaubt haben. Die mich mit all meinen verzweifelten, mörderisch wütenden, einsamen Gefühlen voller Selbstzweifel, kaum vorhandenem Selbstwertgefühl und der Suche nach meinem ICH, unterstützt haben. Die mir Halt gaben, Mut und Hoffnung schenkten. Es gab auch Momente, in denen ich sie verflucht habe, für ihre ehrlichen Worte, ihre „Aufforderungen“ weiter zu machen und nicht in meiner Opferrolle zu verharren. Im nachhinein betrachtet, waren das die Momente, der größten Selbsterkenntnis und innerem Wachstum!
Für all das, bin ich zutiefst und von ganzem Herzen dankbar! Ohne diese herzensguten Seelen wäre meine Welt nicht mehr bunt und lebendig geworden.
Neben der Traumatherapie besuchte ich zahlreiche Fortbildungen. Mir war damals nicht so ganz klar, dass ich damit später mal beruflich arbeiten würde. Ich habe erstmal einen Weg gesucht, zu verstehen, was mit und in mir passiert.
Es gab oft Momente kurz vor der Selbstaufgabe, das Gefühl es nie und nimmer zu schaffen, jemals diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen. Das Gefühl zu ersticken, Panik ohne ersichtlichen Grund, Flashbacks, Momente der Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Abscheu vor mir selbst…
Oft werde ich gefragt, wie ich das überlebt habe. Es ist mein Glaube, der mich überleben ließ. Der Glaube daran, dass alles im Leben irgendeinen Sinn ergibt, auch wenn er lange nicht ersichtlich scheint.
Für mich war es überlebenswichtig, Stimmungen und Gefühle anderer zu spüren, jede kleinste Kleinigkeit im anderen wahrzunehmen und zu „wissen“ was der andere braucht. Heute ist dies eine meiner therapeutischen Stärken. Ich kann mich reich schätzen, dass ich in der Lage war, über mich hinaus zu wachsen und dies zu erkennen, zu transformieren und aus meinem Schatten heraus zu treten. Mich ganz bewusst für das Leben zu entscheiden, zu Lieben, zu vertrauen, zu fühlen und Freude zu empfinden. Vergeben zu können, mir selbst und anderen.
Ich wünsche keinem meine Vergangenheit, aber ich wünsche jedem der ähnliches erlebt hat, die Möglichkeit auf Transformation, auf Heilung, auf Wachstum! Das man über sich hinaus wächst und sieht, das man viel mehr sein kann, als seine Vergangenheit.
Was bzw. wer möchtest du sein? Welchen Weg möchtest du für dich gehen? Was ist deine größte Chance? Dein Potential?
Von Herzen gerne begleite ich dich auf DEINEM Weg ins LICHt.
Herzlichst
Jelena